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Sechs Missverständnisse über die transkraniellen Pulsstimulation (TPS)

Dr. M. Torres • Juni 19, 2024

Diese Aufklärung soll Menschen helfen, TPS besser zu verstehen und ihre Möglichkeiten und Grenzen zu erkennen

Die transkranielle Impulsstimulation (TPS) –eines der neuesten therapeutischen Verfahren zur Hirnstimulation– steht häufig im Mittelpunkt öffentlicher und fachlicher Diskussionen. Ungeachtet der Tatsache, dass TPS vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen und Erschöpfungszuständen zeigt, gibt es einige Missverständnisse über ihre Funktionsweise, Wirksamkeit und Anwendung.


Vor diesem Hintergrund möchten wir Klarheit schaffen und auf die häufigsten Missverständnisse über die TPS einzugehen, die sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft kursieren. Diese Aufklärung soll Patienten, Ärzten und Forschern helfen, diese Technologie besser zu verstehen und die Möglichkeiten und Grenzen dieses therapeutischen Verfahrens zu erkennen.


1. TPS ist eine "zugelassene Therapie"


Das TPS-System (Neurolith©) hat die CE-Kennzeichnung für die Behandlung der Alzheimer-Demenz erhalten. Diese Kennzeichnung bedeutet, dass das System vom Hersteller gründlich getestet wurde und alle EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz erfüllt. Die CE-Kennzeichnung ist jedoch keine Garantie für die Wirksamkeit einer Therapie. Diese muss in klinischen Studien nachgewiesen werden. Erste veröffentlichte Studien zeigen, dass TPS bei einer Reihe von Erkrankungen wie Alzheimer, Demenz, Parkinson, Autismus-Spektrum-Störungen und Depressionen eine positive Wirkung hat. Diese Studien sind jedoch relativ klein und kontrollieren nicht für Effekte wie Selbstselektion und Placebo, die die genannten Effekte positiv beeinflussen. Es ist jedoch eine Frage der Zeit, bis randomisierte und placebokontrollierte klinische Studien durchgeführt werden.


2. TPS wäre "die einzige Therapieoption"


Die transkranielle Pulsstimulation (TPS) wird in manchen Kreisen als weltweit einzige nichtmedikamentöse Therapieoption des zentralen Nervensystems zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz dargestellt. Diese Information ist nicht zutreffend, da es zahlreiche qualitativ hochwertige klinische Studien gibt, die zeigen, dass transkranielle Magnetstimulation (TMS) sehr erfolgreich zur Behandlung der kognitiven Beeinträchtigung bei dieser Erkrankung eingesetzt werden kann. Warum die Ergebnisse dieser Studien nicht bekannt sind, können Sie hier nachlesen.


3. TPS wirke "gegen das Vergessen"


Die Darstellung von TPS in der Boulevardpresse und auf einigen Internetseiten als Therapie "gegen das Vergessen" ist medizinisch nicht korrekt. TPS wirkt nicht gezielt gegen das Vergessen. Gedächtnisverlust ist zwar eines der häufigsten und bekanntesten Symptome der Alzheimer-Demenz, aber nur eine von vielen kognitiven Beeinträchtigungen der Erkrankung. Erfahrungen aus verschiedenen Praxen, die TPS einsetzen, zeigen, dass TPS zwar wirksam ist, um den kognitiven Abbau bei Alzheimer-Patienten zu verlangsamen, die Effekte auf die begleitenden neuropsychiatrischen Symptome und die Aktivitäten des täglichen Lebens jedoch stärker zu sein scheinen. Die aktuelle Studie von Shinzato et al. (2024) bestätigt dies.


4. Wirkung von TPS könne man mit einfachen Tests messen


Die Wirksamkeit von TPS bei einer so komplexen Erkrankung wie der Alzheimer-Demenz kann nicht mit einfachen psychometrischen Tests wie dem MMST oder dem MoCA gemessen werden. Diese sogenannten Screening-Tests konzentrieren sich auf das Vorhandensein bestimmter neuropsychologischer Merkmale und dienen dazu, eine schnelle und vorläufige Einschätzung vorzunehmen und mögliche Probleme oder Risiken zu identifizieren. Für eine umfassende Beurteilung sind spezifische kognitive Tests, funktionsspezifische Tests oder ausführliche neuropsychologische Testbatterien wie CERAD oder ADAS-Cog erforderlich.


5. TPS verwende “akustische Wellen” bzw. “Schallwellen”


Mit diesen Aussagen wird versucht, die Funktionsweise der TPS zu "verharmlosen", da Patienten und Ärzte durch den Begriff "Stoßwellen" abgeschreckt werden könnten. Heutzutage weiß jeder, dass ein Laser sowohl als Waffe als auch für chirurgische Eingriffe oder zum Drucken verwendet werden kann. Eine andere Bezeichnung wird der TPS-Technologie nicht schaden, zumal sich der Hersteller als “The Schock Wave Company” versteht. Unseres Erachtens wäre es besser gewesen, die Therapie explizit als transkranielle fokussierte Stoßwellenstimulation zu vermarkten, da transkranielle Pulsstimulation zu unspezifisch ist.


Die vom TPS-System (Neurolith©) erzeugten Wellen gehören zu den mechanischen Wellen (im Gegensatz zu elektromagnetischen Wellen, Materialwellen usw.). Eine Untergruppe dieser Wellen sind die Druckwellen. Die deutschen Physiker und Ingenieure unterscheiden hier auch die Stoßwellen. Eine Druckwelle, Kompressionswelle, Dichtewelle oder Verdichtungswelle ist eine longitudinale Welle in einem Fluid oder Festkörper. Kurzzeitige Druckschwankungen in einem Medium breiten sich als Wellenfront aus. Eine Druckänderung geht mit einer Dichteänderung einher.


Stoßwellen werden durch plötzliche, starke Störungen in einem Medium erzeugt, sie zeigen einen extrem schnellen Druckanstieg und besitzen eine relativ hohe Energie.


Einige Autoren unterteilen Druckwellen in Schallwellen und Stoßwellen, andere sind der Meinung, dass Schallwellen generell Druckänderungen durch ein Medium übertragen und Stoßwellen daher auch Schallwellen sind. Die charakteristischen Eigenschaften von Schockwellen und damit von Stoßwellen - insbesondere der extrem schnelle Druckanstieg und die relativ hohe Energie - unterscheiden sich jedoch deutlich von den meisten im Alltag wahrnehmbaren Schallwellen, wie z. B. Musik oder Sprache, die sanftere Druckänderungen aufweisen. Daher ist es irreführend, Stoßwellen pauschal als Schallwellen oder akustische Wellen zu bezeichnen. Eine TPS-Therapie ist nicht vergleichbar mit dem Hören eines Vivaldi-Konzertes.


6. TPS wäre eine “Ultraschalltherapie”


Beim TPS wird die Energie in Form von einzelnen, diskreten Stößen abgegeben. Das bedeutet, dass das TPS-System eine schnelle Stoßwelle erzeugt, gefolgt von einer Pause, bevor die nächste Welle ausgesendet wird. Diese Art der Energieabgabe wird als pulsierend bezeichnet. Obwohl die Wiederholrate der vom TPS-System erzeugten Stoßwellen unter 6 Hz liegt, reicht die Bandbreite (Frequenzbereich) jeder einzelnen Welle laut Hersteller von 1 kHz bis 10 MHz. Mit einem Druck von 10 MPa bis 100 MPa gehören sie eindeutig zu den höheren Druckwellen.


Diese Eigenschaften unterscheiden Stoßwellen deutlich von Ultraschallwellen. Bei Ultraschall sind die Druckamplituden relativ klein und haben eine schmale Bandbreite. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass in einigen Publikationen und Internetseiten behauptet wird, die transkranielle Pulsstimulation würde mit Ultraschallwellen durchgeführt oder es handele sich um eine Ultraschall-Therapie. Auch hier kann der einzige Grund sein, dass mit diesen Aussagen versucht wird, die Funktionsweise der TPS zu "verharmlosen", da Patienten und Ärzte durch den Begriff "Stoßwellen" abgeschreckt werden könnten.

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