Patienten und ihre Angehörigen fragen häufig nach dem Zusammenhang zwischen den Begriffen Neuroplastizität, Neuromodulation und Neurostimulation. In diesem Artikel klären wir die drei Grundbegriffe, um zu präzisen Definitionen zu gelangen. Die Neurostimulation zielt darauf ab, durch die gezielte Anwendung von Reizen auf das Nervensystem spezifische neurologische Funktionen und Prozesse kontrolliert zu beeinflussen, d.h. zu modulieren. Sie nutzt dazu die inhärente Plastizität der Neuronen und ihrer Netzwerke, also deren Fähigkeit, ihre Struktur und Funktion in Abhängigkeit von ihrer Nutzung zu verändern. Aus dieser kurzen Darstellung wird bereits deutlich, dass Neuromodulation und Neurostimulation nicht miteinander verwechselt werden dürfen, wie es im medizinischen Kontext manchmal geschieht.
Einige Werkstoffe besitzen die Fähigkeit, ihre geometrische Form unter dem Einfluss äußerer Kräfte zu verändern. Ist diese Veränderung dauerhaft, spricht man von Plastizität, ist sie vorübergehend, von Elastizität. Diese Fähigkeit zur anhaltenden Veränderung wurde auch in anderen Zusammenhängen aufgegriffen, zum Beispiel in den Neurowissenschaften. Hier bezeichnet Neuroplastizität die Fähigkeit von Neuronen und Netzen von Neuronen (neuronalen Netzen), ihre Anatomie und Funktion in Abhängigkeit von ihrer Nutzung zu verändern. Je nachdem, auf welcher Ebene diese Fähigkeit untersucht wird, spricht man in den Neurowissenschaften von verschiedenen Arten der Plastizität.
Zum Beispiel, auf neuronaler Ebene, beschreibt synaptische Plastizität die Fähigkeit, die Stärke der synaptischen Übertragung zwischen Neuronen in Abhängigkeit von der Aktivität zu verändern. Diese Änderungen können sowohl durch morphologische als auch durch physiologische Veränderungen der Synapse hervorgerufen werden. Je nach Dauer der synaptischen Veränderungen wird zwischen Kurzzeit- und Langzeitplastizität unterschieden. Die Verstärkung der synaptischen Übertragung durch synaptische Plastizität wird als Potenzierung bezeichnet, die Abschwächung als Depression (nicht zu verwechseln mit dem Krankheitsbild der Depression). Je nach Dauer spricht man von Langzeitpotenzierung (LTP), Kurzzeitpotenzierung (STP), Langzeitdepression (LTD) und Kurzzeitdepression (STD).
Auf der Ebene der neuronalen Netzwerke beschreibt die kortikale Plastizität die Fähigkeit neuronaler Netzwerke, ihre Größe, Konnektivität oder Aktivierungsmuster in Abhängigkeit von ihrer Nutzung zu verändern. Der Begriff wird häufig verwendet, um die Plastizität des Gehirns zu beschreiben, obwohl auch Regionen außerhalb des Kortex beteiligt sind. Die Prinzipien der kortikalen Plastizität sind keineswegs auf die Großhirnrinde (Kortex) beschränkt. Eine Folge der kortikalen Plastizität ist, dass eine bestimmte Funktion im Gehirn von einer Stelle zu einer anderen wandern kann. Die kortikale Plastizität ermöglicht es dem Gehirn, "Karten" von sensorischen und motorischen Informationen neu zu organisieren, was häufig nach Verletzungen oder beim Erwerb neuer Fähigkeiten geschieht.
Der Begriff Modulation beinhaltet immer die Vorstellung einer absichtlichen, gezielten und kontrollierten Beeinflussung zur Ergebnissteuerung. Ob in der Technik, der Musik, der Medizin oder der Sprache, das Wesen der Modulation ist die Beeinflussung eines Ausgangszustandes, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Diese Art von Regulierung kann dazu dienen, Informationen effektiver zu übertragen, den künstlerischen Ausdruck zu bereichern, therapeutische Effekte zu erzielen oder die Wahrnehmung und Kommunikation zu verbessern. Es ist wichtig zu beachten, dass der Begriff Neuromodulation in den Neurowissenschaften und in der Medizin unterschiedliche Aspekte hervorhebt.
Neuromodulation in den Neurowissenschaften ist ein Prozess, bei dem ein bestimmtes Neuron eine oder mehrere chemische Verbindungen verwendet, um verschiedene Populationen von Neuronen zu regulieren. Beispiele für solche Verbindungen sind Dopamin, Serotonin, Acetylcholin und Histamin, die als Neuromodulatoren bekannt sind. Alle neuronalen Regulationsprozesse sind auf das Vorhandensein dieser Substanzen angewiesen. Neuromodulatoren werden vom Organismus selbst synthetisiert oder von außen in Form von Arzneimitteln oder Drogen zugeführt. Der Hauptwirkungsort von Neuromodulatoren ist in der Regel die Synapse, wo durch Zusammenwirken mit einem entsprechenden Neurotransmitter die Umwandlung von elektrischer Energie in Form eines Aktionspotenzials in chemische Energie erfolgt.
Neuromodulation in der Medizin ist ein Prozess zur Veränderung der Nervenaktivität durch die Anwendung eines Reizes oder die Verabreichung eines Wirkstoffs an einer bestimmten Stelle des Körpers, meist mit dem Ziel, die inhärente Plastizität der Neuronen und ihre Netzwerke zu beeinflussen. Sie wird zu therapeutischen Zwecken eingesetzt, um die Funktion eines neuronalen Netzes gegenüber seinem gestörten Zustand zu normalisieren, wie im Falle einer Depression, oder um eine Reaktion hervorzurufen, die vorher nicht vorhanden war, wie im Falle eines Implantats, das einem tauben Patienten das Gehör wiedergibt.
Im weitesten Sinne ist Stimulation jede Form von Einwirkung, die eine spezifische Reaktion in einem Prozess oder System auslöst, verstärkt oder abschwächt, unabhängig davon, ob dieser Prozess oder dieses System biologischer, mechanischer, chemischer oder physikalischer Natur sind. Im Falle von Lebewesen kann diese Einwirkung oder Anregung je nach Kontext und Ziel auf verschiedene Weise erfolgen, z. B. durch physikalische Stimulation (Licht, Schall, Druck, Elektrizität oder Wärme), chemische Stimulation (Koffein, Antidepressiva, Kreatin), sensorische Stimulation (Musik hören, Bilder sehen, Düfte riechen), emotionale Stimulation (durch Kunst, Literatur, menschliche Interaktion, Naturerlebnisse).
Bei der Neurostimulation handelt es sich um eine Sammlung von Technologien, Verfahren und Therapien, die gezielt auf das Nervensystem einwirken, um die Modulation spezifischer neurologischer Funktionen und Prozesse zu erreichen. Diese umfassen die Anwendung von elektrischen, magnetischen und neuerdings auch mechanischen Reizen sowie die Einbringung von Wirkstoffen in den subduralen Raum oder direkt an Nervenfasern und zielen darauf ab, neuronale Aktivität entweder anzuregen oder zu hemmen, um eine Vielzahl von neurologischen, psychiatrischer und neuropsychiatrischen Erkrankungen zu behandeln. Die Wirksamkeit der Neurostimulation basiert auf empirischen Beobachtungen und klinischen Studien; jedoch sind die präzisen neurobiologischen Mechanismen der Neuromodulation bisher nicht vollständig entschlüsselt. Trotz dieser Wissenslücken hat die nachgewiesene klinische Wirksamkeit der Neurostimulation ihren Einsatz in der modernen Medizin erheblich erweitert.
Die
zentrale Neurostimulation, z.B. durch tiefe Hirnstimulation und Rückenmarkstimulation, bietet wirksame Therapien für chronische Schmerzen und Bewegungsstörungen wie z.B. Morbus Parkinson. Wichtig sind auch Verfahren der
kranialen Neurostimulation
wie die Vagusnervstimulation und die transkranielle Magnetstimulation, die bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Zwangsstörungen sowie zur Erholung nach einem Schlaganfall eingesetzt werden. Im Bereich der
peripheren Neurostimulation
werden Verfahren wie die transkutane elektrische Nervenstimulation zur Behandlung von Epilepsie und Kopfschmerzen eingesetzt. Weiterhin verbessern
auditive und visuelle Neurostimulationen wie Cochlea- und Retina-Implantate sensorische Defizite, indem sie tauben oder schwerhörigen Patienten helfen, Geräusche und Sprache zu erkennen, und bei bestimmten Formen von Blindheit das Sehvermögen wiederherstellen. Funktionelle Therapien durch
sakrale und pudendale Neurostimulation unterstützen zudem die Blasen- und Darmfunktion sowie die Atemregulation bei Patienten mit neurologischen Störungen, was beispielsweise bei Inkontinenz vielversprechende Ergebnisse zeigt.